Melanie Ragot war für die Freien Schwimmer Düsseldorf bei den Roma 2022 European Masters Aquatics Championships am Start und teilt mich euch ihre Erlebnisse mit diesem Bericht

„Bei solch großen Wettkämpfen gibt es vorab ein paar Dinge zu tun, die man berücksichtigen muss. So geht der erste Weg nicht direkt zum Schwimmbecken, sondern zur Akkreditierung. Dort bekam ich eine Karte mit Foto und QR Code, die sozusagen der Schlüssel zu allen wichtigen Bereichen der eigenen Wettkämpfe ist. Damit ausgestattet habe ich den Montag genutzt, mich auf dem Wettkampfgelände zurecht zu finden und um im „Trainingspool“ ein paar lockere Meter zu schwimmen: das ehemalige 50-Meter-Olympiabecken aus dem Jahr 1960! Komplett mit Marmorplatten ausgekleidet!

In diesem Becken holten bei dein Olympischen Spielen 1960 nur die Damen Medaillen für Deutschland: Barbara Göbel und Wiltrud Urselmann Bronze und Silber über 200 Meter Rücken, die Staffel 4×100 Meter Freistil und die Staffel 4×100 Meter Lagen Bronze.
Ein gutes Omen für Melanie?

Den Zugang zum eigentlichen Wettkampfbecken bekommt man erst am Tag des Rennens, und so konnte ich es an diesem Tag leider nur von den Zuschauerrängen sehen.

Mein erster Start über 400 Meter Lagen war für Dienstag (30.09.) ca. 17:00 Uhr geplant. Das liegt mir eigentlich so gar nicht, denn am liebsten habe ich meine Wettkämpfe bereits am Morgen. Nun hieß es, den Tag irgendwie herum zu bekommen, bis es endlich Richtung Stadio del Nuoto ging. Das Einschwimmen im Wettkampfpool war zwischen 15:00-15:45 Uhr möglich. Es war total schön, endlich in diesem tollen Becken schwimmen zu können. Meine Aufregung stieg, denn mein letzter große internationale Wettkampf liegt sechs Jahre zurück und die 400 Meter Lagen war ich in den letzten Jahren erst drei Mal geschwommen. In London kämpfte ich im Jahr 2016 noch über die halbe Distanz (200 Meter Lagen) um kontinentale Titel. Und wer 400 Meter Lagen kennt, der weiß, dass man auf dieser Strecke so einige Höhen und Tiefen erleben kann.

Bevor man jedoch zur Startbrücke kommt, muss man zunächst das bei internationalen Wettkämpfen übliche Vorstartprozedere hinter sich bringen. Gemeinsam mit einer Freundin von der SG Bayer, die im selben Lauf wie ich startete, gingen wir in den umfangreichen Vorstartbereich. In einem großen Raum warten die Sportler darauf, dass sie circa fünf Läufe vor ihrem Start von den Offiziellen aufgerufen werden. Dann muss man sich auf einen Stuhl mit der Nummer der Startbahn setzten. Ist ein Lauf im Wasser gestartet, rückt man eine Stuhlreihe nach vorne auf. Das geht so weiter, bis man schließlich auf einer Stuhlreihe in der Nähe des Beckens sitzt. Von da an muss man immer noch warten, bis der Lauf vor dem eigenen im Wasser ist und erst dann geht es Richtung Startbrücke. Wichtig ist dabei, dass man seine Akkreditierungskarte immer um den Hals trägt, da die Namen mehrmals kontrolliert werden.

Jetzt zum eigentlichen Rennen. Als Masterschwimmerin habe ich in diesem Jahr an drei Wettkämpfen gemeinsam mit der Jugend teilgenommen. Gesonderte Wettkämpfe für uns „Oldies“ gibt es kaum. Die 400 Meter Lagen bin ich zuletzt Mitte Februar geschwommen. Das Gefühl, wenn man dann vor so einer großen Bühne auf dem Startblock steht, ist unbeschreiblich. Aufregung mischt sich mit der Neugierde, wie sich die Strecke wohl anfühlen wird.

Melanie auf den ersten Metern bei „ihren“ European Championships

Dann fiel auch schon der Startschuss. Die ersten hundert Meter Schmetterling liefen richtig gut. Ich schwamm auf Bahn 2 und konnte mit der Schwimmerin neben mir auf Bahn 3 mithalten. Am Ende nahm ich bewusst das Tempo raus, um mich für die kommenden 300 Meter nicht vollständig zu verausgaben. Beim anschließenden Rückenschwimmen – nach wie vor meine Schwäche – wurde der Abstand zu meiner Nachbarin größer. Aber auf der Bruststrecke konnte ich den Vorsprung wieder verringern. Währenddessen kämpfte in der Mitte des Beckens meine Freundin um den Sieg. Beim Kraulschwimmen hieß es für mich dann nur „Augen zu und durch“, und ich erkämpfte mir in einer neuen persönlichen Jahresbestzeit von 6:02,5 den 5. Platz in meiner Altersklasse.

6:02.51 – BAMM!

Hier ist das Rennen von Melanie noch einmal zu bewundern. (Sorry für die Qualität)

Mit diesem Ergebnis bin ich sehr zufrieden zurück ins Hotel gefahren, um mir erst einmal eine ordentliche Portion Pasta zu gönnen. Am nächsten Tag hatte ich frei und nutzte diesen für ein wenig Sightseeing in Rom.

Gladiatorin vor Kolosseum

Am Donnerstag (1.09.) standen dann für mich die 200 Meter Brust auf dem Programm. Zu meiner Freude lag der Wettkampf dieses Mal am frühen Morgen. Nach einem kurzen Einschwimmen um 8:30 Uhr wartete ich – wieder ungeduldig, aber voller Vorfreude – im Vorstartbereich des Wettkampfes. Ich startete wieder mit einer deutschen Schwimmerin, die ich bereits von den 400 Meter Lagen her kannte, und neben mir schwamm auf der Außenbahn eine sehr nette Italienerin. Der Smalltalk vor dem Start ist einfach nett und baut definitiv die Aufregung ab. Für mich kann ich sagen, dass ich nach dem ersten erfolgreichen Start jetzt viel entspannter im Vorstartbereich saß. Ich freute mich richtig auf die 200 Meter Brust. Das Gefühl bei der 3. Lage zwei Tage zuvor war richtig gut. Zuletzt bin ich diese Strecke Ende April geschwommen. Damals hatte ich 3:15 Minuten gebraucht, und die galt es jetzt zu unterbieten.

Das Foro Italico – ein historischer Sportstättenkomplex, vor bald über 80 Jahren errichtet, Ort der Olympischen Spiele 1960 und auch der Fußballweltmeisterschaft 1990 mit dem Titel für die Elf des Kaisers – natürlich nicht in diesem Becken 😉

Ich startete auf Bahn 1 und schaffte es, auf den ersten 100 Metern meine linke Nachbarin nicht allzu weit ziehen zu lassen. Nach 1:29 Minuten wendete ich drei Sekunden später auf die zweiten 100 Meter. Jetzt hieß es, Zähne zusammenbeißen und die Beine trotz beginnender Müdigkeit weiter anzutreiben.

Ich schlug nach 3:07,2 Minuten als 6. Schwimmerin im Ziel an die Anschlagmatte. Und war total glücklich mit dieser Zeit und Platzierung! In London 2016 war ich über die gleiche Strecke noch 7., und jetzt hatte ich mich um eine Platzierung und ganz viele Sekunden im Vergleich zum April verbessert.

Beste Deutsche 😉

Hier Melanies Brustrennen zum Nachschauen.

Am Nachmittag war dann Erholung angesagt, denn mein dritter und letzter Start war schon für den nächsten Morgen angesagt.

Unipol Pietralata – Das Becken für Melanies Paradedisziplin

Die „Königsstrecke“ 200 Meter Schmetterling gehörte früher zu meinen absoluten Lieblingsstrecken. Hier habe ich bereits bei Deutschen Meisterschaften um Platzierungen gekämpft. Nach sieben Jahren Pause wagte ich mich in diesem Jahr erstmalig wieder an meine frühere Paradedisziplin. In 2022 bin ich die 200 Meter Schmetterling auf zwei Wettkämpfen geschwommen und habe die Liebe zu dieser Strecke wiederentdeckt. Wir Schwimmer durften insgesamt nur an drei Starts im Beckenschwimmen teilnehmen und so fiel die Wahl meines letzten Starts natürlich auf die 200 Meter Schmetterling, die am Freitagmorgen stattfinden sollten (2.09.).
Dieses Mal fand mein Wettkampf im Schwimmbad Unipol Pietralata statt. Ein wunderschönes 50 Meter Freibad, welches etwas kleiner ist als das Stadio del Nuoto. Ich fühlte mich sofort wohl in diesem Pool.
Leider verzögerte sich der Start wegen technischer Probleme mit der Zeitmessanlage um eine Stunde, die wir wartend im Vorstartbereich verbrachten. Es war wirklich sehr nett, sich mit den anderen Starterinnen zu unterhalten. Die Stimmung unter den Masterschwimmern ist immer recht gut und bei den meisten auch nicht so verbissen. Gegen 10:40 Uhr fand ich mich schließlich auf der letzten Stuhlreihe am Beckenrand wieder. Aus den Lautsprechern tönte Survivors „Eye Of The Tiger“ aus „Rocky 3“, und ich fühlte mich einfach richtig gut. Ich war so stolz und glücklich, dass ich über 200 Meter Schmetterling an den Start gehen konnte.

Der Startpfiff ertönte und schon war ich im erfrischenden Nass. Wie schon in meiner Jugend, ließ ich mir auf den ersten 100 Metern etwas mehr Zeit, um Kräfte für die zweite Streckenhälfte zu sparen. Ich wendete als sechste Schwimmerin und dann begann die Aufholjagd. Zug um Zug konnte ich den Abstand auf die Schwimmerinnen vor mir verringern. Das bekam ich im Wasser selbst nicht mit, da die Schwimmerin auf der Bahn 5 schon viele Meter vor mir lag und die Schwimmerin auf Bahn 7 nicht gestartet war. Ich schwamm also mein Rennen auf Bahn 6 ganz für mich alleine. Als ich am Ende auf die Anzeigetafel schaute und meinen Namen an vierter Position erblickte, hätte ich vor Freude fast in die Luft springen können.
Ich war mit 3:04 Minuten ganze sechs Sekunden schneller, als noch bei meinem letzten Wettkampf im April über diese Strecke!
Die Schwimmerin auf dem dritten Platz, eine nette Niederländerin, hätte ich nicht einholen können und so freue ich mich wie Bolle über meine Holzmedaille und beste Platzierung auf einer Europameisterschaft. Diese Strecke werde ich bestimmt jetzt wieder öfter schwimmen.

Eine stolze Holzmedaille auf den 200 Metern Schmett für Melanie in PB

Hier könnt ihr Melanies 200 Meter Schmetterling relive sehen

Mein Fazit zur Master EM: Ich bin mit meinen Leistungen im Becken sehr zufrieden und stolz, die Vereinsfarben auf dieser Veranstaltung getragen zu haben. Insgesamt war es ein einmaliges Erlebnis, nicht nur aus schwimmerischer Sicht, sondern auch gerade aus Sicht der fantastischen Schwimmergemeinschaft. Der große Teil der Schwimmer bei diesem Wettkampf ist frei nach dem Olympischen Gedanken „dabei sein ist alles“ mit Leidenschaft und viel Spaß dabei. Ich habe so viele nette Menschen aus unterschiedlichen Ländern kennengelernt oder auch wiedergetroffen. Alle waren einfach nur glücklich, dass nach vielen Jahren der Pause endlich wieder ein so tolles Sportereignis stattfand. Unvergessen bleiben die „Standing Ovation“ für die ältesten Schwimmer, die ungeachtet ihres Alters einfach hervorragende Leistungen im Becken zeigten. Im Sport wird man nicht älter, sondern wechselt einfach die Altersklasse. Ich werde nächstes Jahr ebenfalls die Altersklasse wechseln und überlege jetzt schon, welche sportliche Herausforderung ich mir zum Ziel setzte. Im Wasser gibt es nächstes Jahr die Weltmeisterschaft, die in Japan stattfinden wird. Ob ich daran teilnehme, das werde ich mir noch überlegen. Lust hätte ich ja, Japan ist nur leider etwas weiter weg als Rom.
Vielleicht sind dann ja noch einige weitere Starter des FSD mit dabei.

Wie qualifiziert man sich?
Für die Masters EM muss man in einem Schwimmverein lizenziert sein, d.h. beim Deutschen Schwimmverband eine Lizenz und somit die Berechtigung haben, an Wettkämpfen teilnehmen zu können. Dann gibt es Pflichtzeiten, welche man vorher geschwommen sein sollte. In meinem Fall lagen die Zeiten z.B. bei 7:55 Min. über 400 Meter Lagen, bei 3:50 Min. über 200 Meter Brust und bei 3:40 min. über 200 Meter Schmetterling. Also für ehemalige Wettkampfschwimmer, die noch etwas im Training stecken, sind die Zeiten durchaus keine Hürde. https://www.roma2022.eu/masters/nuoto/

Die Anmeldung läuft über die Athleten beim Veranstalter selbst. Vereine können auch Teammanager wählen und Coaches mitbringen bzw. akkreditieren lassen. Viele andere Vereine hatten in Rom gleich mehrere Schwimmer am Start und auch Staffeln besetzt. Wenn man auf dem Wettkampf die Pflichtzeiten nicht erreicht, dann erscheint NT auf dem Protokoll (no time) und man fällt komplett aus der Wertung.“

Danke liebe Melanie für deine Berichterstattung. Wir sind stolz auf deine Leistungen und freuen uns mit dir.